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Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt - Ein Game im Filmkostüm

Paul Hackspacher

von Paul Hackspacher

02.05.2011, 11:06 Uhr

Wenn sich ein Gamer in den vergangenen 12 Monaten nur einen Film angesehen hat, dann war es wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit dieser hier. Und wenn nicht, dann war das ein gravierender Fehler. Hollywood hat nach dem großen Comic-Boom schon verstärkt Interesse an Videospielen gezeigt, sei es die Adaption von Stories wie bei "Tomb Raider" oder des gesamten Konzeptes wie in "Gamer". Aber wenn ein Film-Charakter selber ein Spieler war, dann wurde dieser normalerweise als geistiges Kind oder introvertierter Nerd karikiert. Damit ist hier Schluss. Es folgt die erste cineastische Lobpreisung an eine Unterhaltungsform und alle Personen die sich ihr hingeben. Ladies and Gentlemen, ich präsentiere: "Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt".

Vor nicht allzu langer Zeit, im geheimnisvollen Land Kanada, datete Scott Pilgrim ein Schulmädchen. Die Beziehung war einfach, unkompliziert, Händchen halten war das höchste der Gefühle. Genau das, was Scott nach seinen vielen Rückschlägen und schlechten Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht brauchte. Doch eines Tages taucht in Scotts Träumen Ramona Flowers auf, die in ihrem Job als Paketlieferantin eine Hyperraum-Autobahn benutzt, welche rein zufällig durch Scotts Kopf verläuft. Da er sie logischerweise sogar wortwörtlich nicht mehr aus dem Kopf bekommt, stellt er ihr nach und verliebt sich mit der Zeit auch in sie. Ramona geht auf seine Avancen ein und schon bald sind die beiden ein sehr ungleiches Paar. Was Scott aber noch nicht weiß: Um Ramona daten zu dürfen, muss er die Liga ihrer sieben teuflischen Ex-Lover besiegen, die alle nach Toronto kommen um ihn zu töten und zu verhindern, dass seine Traumfrau je wieder eine glückliche Beziehung führt. Und während Scott sich mit Ramonas Ex-Freunden herumschlägt, muss er feststellen, dass auch er selbst einiges aus seiner Vergangenheit mit sich trägt, dem er sich noch nicht gestellt hat.

Selbst der bereits reichlich schräg klingende Kurzabriss der Story wird der Absurdität des Filmes nicht wirklich gerecht. Die meisten skurrilen Momente entstehen, wenn der Film die Handlung wie in einem Videospiel darstellt: Scotts Gegner verwandeln sich in Münzen wenn sie besiegt werden, in den Duellen wird die Zahl der Combos eingeblendet, Scott erhält Power-Ups und Experience Points. Zusätzlich dazu ziehen sich Sounds aus den Zelda-Titeln durch den ganzen Film, für die Regisseur Edgar Wright ("Hot Fuzz") höchstpersönlich Erlaubnis bei Nintendo gesucht hat. Ein wenig ironisch, dass das zugehörige Scott-Pilgrim-Game nur auf Xbox 360 und Playstation 3 erschienen ist, aber auf keiner Nintendo-Plattform. Aber auch sonst sprüht die Story vor permanenten Referenzen auf Videospiele, von offensichtlichen ("Zelda") über versteckte ("Sex Bob-ombs") bis hin zu ganz absurden ("The Clash at Demonhead"). Jeder Gamer wird sich hier sofort wohlfühlen, insbesondere die Generation, die mit einem SNES aufgewachsen ist.

Die meisten dieser Perlen verdanken wir Brian Lee O'Malley, dem Autor und Zeichner des sechsbändigen "Scott Pilgrim"-Comics auf dem der Film basiert. Als die Verfilmung beschlossen wurde, war gerade der erste Band erschienen. Das Script stand dann bereits nach dem zweiten Band. Darum ist es nicht verwunderlich, wenn der Film nicht der ursprünglichen Story folgt, sondern aus derselben Ausgangssituation andere Ergeignisse und Szenen konstruiert. Eben aufgrund dieses Mangels an Vorlagematerial wurde O'Malley stark in die Produktion mit einbezogen. Deswegen sind auch die Charaktere sehr konsequent in ihrem Verhalten, die Schauplätze glaubwürdig und das gesamte Ambiente des Films stimmig, so wie es der ursprüngliche Autor selber gemacht hätte. Dennoch kann man einen Comic mit weit über 1000 Seiten nicht in 112 Minuten pressen, also ist durchaus klar, dass die gedruckte Vorlage noch viel tiefgründiger, lustiger und durchdachter ist. Was hier allerdings keinesfalls gegen den Film sprechen soll, sondern nur ein noch größeres Lob an den Comic ist.

Wie schon sein Original lebt "Stott Pilgrim gegen den Rest der Welt" stark von den Charakteren, und dahingehend ist es unerlässlich, dass man eine starke Besetzung für den Film castet. Auch hier wird man als Zuschauer nicht enttäuscht. Die Schauspieler treffen ihre gezeichneten Pendants perfekt und wirken zu jedem Zeitpunkt der Handlung glaubwürdig und vor allen Dingen einprägsam. Scott selbst wird von Michael Cera portraitiert, der schon seine Erfahrungen mit etwas schüchternen und verletzbaren Charakteren in "Superbad" oder "Arrested Development" gemacht hat. Vermutlich deswegen spielt er seinen Charakter - der ja immerhin permanent Duelle auf Leben und Tod bravourös gewinnt - ein wenig zu sehr unterkühlt. Etwas mehr Selbstvertrauen in manchen Szenen hätte dem Film-Scott nicht geschadet. Der aber wahrscheinlich coolste Charakter ist Scotts Mitbewohner Wallace Wells, ein einfühlsamer aber dennoch draufgängerischer Homosexueller mit einem losen Mundwerk, der regelmäßig seine Sexpartner in das gemeinsame Bett mitbringt - teilweise während Scott darin schläft und teilweise auch mehr als einen gleichzeitig. Gespielt wird Wallace von Kieran Culkin, dem Bruder von Macaulay Culkin, sowohl im echten Leben als auch in "Kevin - Allein zu Haus", sonst aber nur bekannt aus Nebenrollen, wie in "Gottes Werk und Teufels Beitrag".

Auch alle anderen Figuren werden grandios dargestellt, und es wäre einfach zu viel, sie einzeln anzusprechen. Es reicht zu sagen, dass es noch einen Haufen weiterer unglaublich starker Schauspieler gibt, die den Film zu einem Genuss machen. Im Übrigen wurden die Mitglieder von Scotts Band, den Sex Bob-ombs, vor dem Filmdreh tatsächlich mehrere Wochen lang zusammengesteckt um sich aufeinander einzuspielen. Michael Cera - privat ein begeisterter Bassist – musste sich sogar noch zurückhalten, um in etwa das Niveau zu haben, mit dem sein Charakter Bass spielt.

Man muss "Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt" auch besonderes Lob aussprechen für seine Präsentation - es gibt wenige Stories, die ähnlich gut die filmische Darstellungsweise ausnutzen wie diese. Wenn ein Kampf zwischen Scott und einem Mitglied der Liga durch das Videospiel-typische "Ready - Fight" angekündigt wird, verändert sich das Seitenverhältnis des Bildes, Sounds werden durch eingeblendete Geräuschworte ('Crash', 'Kpok') untermalt, Teile des Films sind als Analogie zu Videogames absichtlich verpixelt dargestellt, und so weiter. Es wurden viele sehr subtile Stilmittel verwendet, die nur in einem bewegten audiovisuellen Medium funktionieren. Dabei legen die Charaktere eine erstaunliche Selbsterkenntnis an den Tag: Wird Julie Powers beispielsweise beim Fluchen durch einen schwarzen Balken und einen Piepton zensiert, fragt Scott sie irritiert, wie sie das mit ihrem Mund mache. Neben den cleveren Kamerafahrten und spektakulären Special-Effects weiß "Scott Pilgrim" aber auch mit starken Kulissen aufzuwarten. Die Sets sind sehr detailliert und stellenweise auch verdammt groß, wie etwa das Chaos Theatre, in dem der große Showdown gegen den Endboss stattfindet. Aber auch die Außenszenen sind imposant, nicht zuletzt da Kanada ohnehin ein großes Repertoire an häufig verwendeten Drehorten besitzt. Cineasten dürften etwa das Schloss, in dem innerhalb der Handlung ein Filmdreh stattfindet, als Professor Xavier's School for Gifted Youngsters aus der "X-Men"-Trilogie erkennen.

Zum Abschluss stellt sich nur noch die Frage, ob der Ton mit dem Rest des Films Schritt halten kann. Die Antwort darauf ist ein zögerliches 'Jein'. Die Qualität der Soundausgabe, speziell im Bezug auf die deutsche Synchronisation, schwankt teilweise recht stark. Stimmen der Charaktere sind zwar alle passend gewählt, aber es kommt durchaus vor, dass man die Glaubwürdigkeit der Tonlage vermisst und das Gefühl hat, die Sprecher hätten einfach nur ihren Text abgelesen. Bei der Übersetzung hat man sich sehr große Mühe gegeben, Wortwitze zu erhalten und vor allen Dingen englische Wörter und Namen nicht einzudeutschen - vermutlich weil die Verantwortlichen oftmals nicht wussten, wie diese zu übersetzen sind. Wenn die Sex Bob-Ombs etwa ihr erstes Lied 'Launchpad McQuack' anspielen, wird man sich wohl am Kopf kratzen, sofern man nicht weiß, dass dies der englische Name für Quack den Bruchpiloten aus "DuckTales" ist. Im Großen und Ganzen kommt das dem Film zugute, da die meisten Gamer wohl die Witze in der Originalversion verstehen werden. Hier und da wurde durch die Unwissenheit der Dolmetscher aber ein Witz sogar ganz übersehen. In diesem Fall gilt: Was man nicht weiß, macht einen nicht heiß. Wenn man nicht gerade aus dem O-Ton an dieser Stelle eine Pointe erwartet, wird man sie auch nicht vermissen. Nicht zuletzt weil es genug andere Lacher gibt, die den Zuschauer darüber hinwegtrösten.

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02.05.2011, 11:06 Uhr

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