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Ralph reichts - Schluss mit Bosskampf

Paul Hackspacher

von Paul Hackspacher

02.05.2013, 12:40 Uhr 1

Es gab Filme über Videospiele, Filme mit Videospielen, Parodien auf Videospiele, Videospiel-Verfilmungen, aber es kommt nicht allzu oft vor, dass es Filme innerhalb eines Videospiels gibt - ohne damit jetzt auf Machinimas anspielen zu wollen. Anstatt einfach die Handlung eines Spiels auf die Leinwand zu bringen wie bei "Tomb Raider" oder Videospiel-Elemente in die "Realität" zu übertragen wie es in "Scott Pilgrim" der Fall war, geht Regisseur Rich Moore nun einen anderen Weg. Er schiebt die Kamera nun in das Innere von Spielautomaten, um das Leben der virtuellen Charaktere darzustellen. Diese sind sich vollkommen bewusst, dass sie nur zum Vergnügen der Spieler programmiert wurden und leben nach Ladenschluss ihre eigene Existenz aus, bevor die Gamer am nächsten Morgen zurückkommen. Schafft es die Fusion aus "Toy Story" und "Tron", den Highscore zu knacken - oder heißt es für den neuen Disney-Film "Ralph reichts" Game Over?

Drei Jahrzehnte lang eine Festanstellung haben, ist eigentlich etwas, worüber man sich freuen könnte: Ein sicherer Arbeitsplatz, berufliche Erfahrung, eine solide Lebensgrundlage. Doch wenn man für seinen Job keine Anerkennung erhält, kann die tägliche Routine zur Qual werden. So geht es auch Randale-Ralph, seines Zeichens Antagonist des Spielhallen-Klassikers "Fix-It Felix Jr.", der am dreißigsten Jubiläum seines Videospiels in eine Existenzkrise gerät. Einmal der Held sein, wie schön das doch wäre. Und so verlässt er eines Tages sein Zuhause und bricht in den brandneuen Egoshooter "Hero's Duty" ein, um sich dort endlich eine Medaille verdienen zu können. Doch die Abrissbirne auf zwei Beinen tritt unterwegs in so einige Fettnäpfchen und landet mit seiner Trophäe im Rennspiel "Sugar Rush", wo sie ihm von Vanellope van Schweetz abgeluchst wird. Auch sie sieht die Medaille als Schlüssel zur Anerkennung, denn sie ist eigentlich ein Glitch im Spiel und darf daher nicht an den Rennen antreten. Das Dilemma spitzt sich zu, als herauskommt, dass Ralph aus Versehen einen gefährlichen Cy-Bug aus "Hero's Duty" mitgebracht hat, der nun beginnt sich rapide zu vermehren. So muss das ungleiche Duo mit Hilfe von Fix-It Felix und der knallharten Sergeant Tamora Jean Calhoun versuchen, das Chaos wieder zu bereinigen. Und dann ist da noch King Candy, der Regent von "Sugar Rush", der seine ganz eigene Agenda hat...

Über eine Sache muss man sich bei "Ralph reichts" eindeutig bewusst sein: Es ist ein Animationsfilm von Disney - nicht von Pixar! Was prinzipiell nur wie ein Unterschied auf dem Papier wirkt, schlägt sich allerdings subtil im Tonus und Ambiente der Handlung nieder. Disney war schon immer äußerst großzügig mit der Moralkeule, schwingt sie dafür aber auch gekonnt, denn immerhin haben sie damit schon über 80 Jahre Erfahrung. "Du bist, was immer du aus dir machst" oder "Denke zuerst an andere und auch dir wird Gutes widerfahren" - diese und weitere, teilweise kitschige Floskeln ziehen sich konsequent durch die Handlung, manchmal mehr, manchmal weniger aufdringlich. Im Verhältnis zu ihren anderen Filmen kommt "Ralph reichts" nicht allzu stark mit der Holzhammer-Methode daher, allerdings sollte man durchaus darauf gefasst sein, dass der Film versucht, seine Zuschauer zu erziehen. Die Kleinen wird es jedoch nicht stören und ein paar gut gemeinte Ratschläge haben ohnehin noch nie geschadet.

Wenn man über diese Kleinigkeit hinwegsieht, wird man dafür mit ein paar äußerst interessanten, lustigen und dreidimensionalen Charakteren belohnt - was ironisch ist, da die meisten davon aus 2D-Pixel-Spielen stammen. Ralph selber ist beispielsweise gar nicht der klassische Antiheld. Er ist ein starker, vielleicht etwas impulsiver Charakter, der immer zielstrebig sein Schicksal in die eigene Hand nimmt. Möglicherweise trifft es ihn deswegen so hart, dass er am Ende des Spiels immer verlieren muss und es nichts gibt, was er daran ändern kann. Vanellope fällt in eine ähnliche Schiene, aber als Glitch ist sie überhaupt nicht am Gameplay beteiligt und kann auch nicht ihr Spiel verlassen, wie es "echte" Charaktere tun, um beispielsweise den Abend in Tapper's Bar zu entspannen. Sie ist sehr stolz und überspielt es daher zunächst mit schnippischen Kommentaren, aber für sie wäre es das Größte, auch nur die Hälfte von Ralphs Aufmerksamkeit zu haben. Doch auch die Protagonisten der jeweiligen Spiele haben es nicht leicht: Sergeant Calhoun wurde mit der tragischen Backstory programmiert, dass ihr Verlobter vor dem Altar von Cy-Bugs getötet wurde, gegen die sie jetzt auf ewig kämpfen muss. Als Resultat blockt sie alle Annäherungsversuche ab, um nicht noch einmal jemand Wichtiges zu verlieren. Und schlussendlich Felix, der eigentlich sorgloseste Charakter des Films, gerät in seine ganz eigene Existenzkrise, als er erkennt wie schlecht er und seine Freunde Ralph behandelt haben und wie sie jetzt ohne Bösewicht als defekt gelten und kurz vor der Abschaltung stehen. Ein Schicksal, das andere Figuren wie Q*bert schon hinter sich haben, die sich jetzt bettelnd am Leben halten müssen.

Diesen Charakteren muss nun von ihren Sprechern durch die Stimme Leben und vor allem Glaubwürdigkeit eingehaucht werden. Dabei schlägt sich die deutsche Synchronisation verdammt gut. Christian Ulmen spricht Ralph deutlich sanfter und dadurch sympathischer als John C. Reilly, der - absichtlich? - den Charakter fast schon etwas dümmlich klingen lässt. Auch Anna Fischer, eigentlich bekannt aus dem deutschen Fernsehen von Serien wie "Berlin, Berlin" oder "Mein Leben und Ich", schafft es, Sarah Silvermans quietischig-aufgedrehte Sprechweise als Vanellope gut einzufangen, obwohl es ihre erste Synchronarbeit ist. Nicht zuletzt erkennt man Kim Haspar als Fix-It Felix Jr. dank seiner Arbeit als John J.D. Dorian aus "Scrubs" und Stefan Gossler, Sprecher von King Candy, dürfte Animationsfans als King Julien aus "Madagascar" vertraut sein. Trotzdem ist die Anzahl von bekannten Stimmen im Deutschen limitierter als im Originalton, wo die Prominenz der Cameo-Sprecher schon fast ein Verkaufsargument ist: Von Jack McBrayer ("30 Rock") und Jane Lynch ("Glee") über Alan Tudyk ("Firefly", "Halo 3: ODST") sowie John DiMaggio (Bender aus "Futurama", Marcus Fenix aus "Gears of War") bis hin zu einem Cameo von Ed "Al Bundy" O'Neill persönlich. Die deutsche Version scheint an Qualität dem Original zwar in nichts nachzustehen, dafür aber definitiv in Sachen Prestige und es dürfte wohl reine Geschmackfrage sein, welche Fassung man bevorzugt.

Auch sonst kann der Film mit seinem Sound gut punkten. Man hat immer versucht, Effekte aus bestehenden Games zu übernehmen, um so etwa "Street Fighters" Hadouken authentisch rüberzubringen. Der Soundtrack selber ist recht zwiegespalten: Die meiste Zeit über nimmt man ihn erst gar nicht zur Kenntnis, aber einige wenige Tracks stechen dennoch heraus, die meisten davon positiv. So lädt der Introsong zum Fußwippen ein, man hat den US-DJ Skrillex dazu überredet "Hero's Duty" zu vertonen und das Theme von "Sugar Rush" ist eines dieser Lieder, die man auch noch Tage später als Ohrwurm hat. Allerdings wirkt Rihannas "Shut Up and Drive" etwas fehl am Platz, nicht weil der Song schlecht oder unpassend wäre, sondern weil es nach über einer Stunde Film der erste Track mit Gesang ist, was fast wie ein Stilbruch wirkt und den Zuschauer aus der Atmosphäre hinauszieht. Insgesamt lässt sich aber durchaus sagen, dass die Macher des Films sich einige Gedanken über die Implementierung der Sounds gemacht haben, und als aufmerksamer Fan wird man das auch bemerken und zu schätzen wissen. Dennoch ist Komponist Henry Jackman kein Hans Zimmer, auch wenn er mit diesem an diversen "Kung-Fu Panda"-Spinoffs zusammengearbeitet hat und sich auch sonst einen Namen mit beispielsweise "Kick-Ass" oder "X-Men: Erste Entscheidung" gemacht hat.

Auch wenn der Sound nett ist, die Grafik ist es, wo "Ralph reichts" wirklich glänzt. Und das nicht nur wegen der neuen Reflexions-Technik, die Disney zum Einsatz gebracht hat, welche die Spiegelungen noch realistischer als bisher machen soll. Die Spielfiguren aus "Fix-It Felix Jr." sind auch in ihrer dreidimensionalen Ansicht sehr kantig und bewegen sich abgehackt, wie man es von 8-Bit-Figuren erwarten würde. Sogar Wasserpfützen bilden sich in Ralphs Videospielwelt eckig aus. Davon ausgenommen sind natürlich die Protagonisten, bei denen das auf Dauer zu anstrengend gewesen wäre. Aber auch hier hat man darauf geachtet, die Figuren detaillierter aussehen zu lassen, je aktueller ihr Spiel ist. So sieht man beispielsweise bei Sergeant Calhoun des Öfteren einzelne Haare bewegen, Felix hingegen scheint eine Betonfrisur zu besitzen. Natürlich sind dennoch alle Figuren mit viel Liebe gemodelt worden und sehen exzellent aus.

Ohne jetzt zu viel des Lobes einfach wiederholen zu wollen, aber praktisch dasselbe lässt sich über die einzelnen Videospielwelten sagen. Alle besitzen ihr eigenes Ambiente und reflektieren auch in der Farbwahl das jeweilige Genre und Jahrzehnt, auf das sie anspielen. Und abhängig von der momentanen Stimmung in der Handlung werden auch andere Umgebungen gewählt: In "Sugar Rush" befindet man sich in fröhlichen Szenen beispielsweise in Zuckerwatte-Gebieten, wogegen traurige Momente eher in einem Schokoladen-Sumpf stattfinden, was ein sehr nettes und überraschendes Feature ist. Ein besonderes Highlight ist allerdings der Abspann, der die Hauptcharaktere als Pixelfiguren zeigt, wie sie diverse Klassiker in der jeweiligen Ingame-Grafik unsicher machen, darunter beispielsweise "Sonic the Hedgehog" oder "Street Fighter". Und es gibt leider viel zu wenige Filme, die mit dem Abspann etwas anderes machen als weiße Namen auf schwarzem Grund zu zeigen.

Womit ich schon beim letzten Punkt wäre, und vermutlich der, auf den jeder Leser gewartet hat: Die virtuellen Cameos. Alle, die den Trailer zum Film gesehen haben, können sich noch an M.Bison, Bowser oder Zangief erinnern. Und ja, es gibt noch weitaus mehr Gastauftritte, wie den zuvor erwähnten Tapper oder Ken und Ryu, die sich nach dem Feierabend unterhalten. Auch die fiktiven Games sind meistens unverkennbare Hommagen an echte Vorlagen. Ralph ist im Endeffekt der "Donkey Kong" zu Felix' Jumpman, "Hero's Duty" ist "StarCraft" als Ego-Shooter und "Sugar Rush" letztendlich verneigt sich vor allen Fun-Racern, von "Mario Kart" über "Diddy Kong Racing" bis hin zu Crash Bandicoots motorisierten Ablegern. Und ja, auch der Konami-Code kommt vor. Dennoch sollte man sich stets bewusst sein, dass "Ralph reichts" keine Parodie oder ein All-Stars-Spektakel ist. Die Protagonisten wurden bewusst frei erfunden und manche populären Spielfiguren wie Mario tauchen erst gar nicht auf. Das liegt nicht an fehlenden Lizenzen, sondern dadurch soll der Film vor allem auch Zuschauen geöffnet werden, die keinen hinreichenden Background haben. Es gibt mehr als genug Pointen, die köstlichst amüsieren, ohne zu erwarten, dass man zum Verständnis zwanzig Games durchgenudelt hat. Der Film wirkt daher eher wie das Videospiel-Pendant zu "Falsches Spiel mit Roger Rabbit", in dem jede größere Zeichentrickfigur zwar auftaucht, aber nicht in den Vordergrund rückt.

1Fazit

Zu den Kommentaren (1)

KOMMENTARE


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KING LPD

KING LPD

02.05.2013, 17:04 Uhr

gute kritik danke

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